Nichts ist beständiger als die Veränderung. Diesen Satz habe ich mindestens einmal zu oft gehört. Und während ich innerlich mit den Augen rolle, komme ich nicht umhin festzustellen, dass sich an dieser Aussage nur wenig aussetzen lässt. Es gibt tatsächlich kaum etwas, das beständiger ist als der Wandel. Sein und werden – diese Wörter sind nicht nur grammatikalisch miteinander verwandt.
Auch das Management unterliegt einem ständigen Anpassungs- und Veränderungsprozess. Manchmal ist die einem neuen Ansatz innewohnende Idee eher inkrementeller Natur. Es geht um die Optimierung des Bestehenden. Andere Ansätze zielen hingegen darauf ab, die bislang verfolgte Logik (einer Branche, einer Leistung, einer Methode) auf den Kopf zu stellen. Auch hier geht es darum, die Dinge besser zu machen – nicht einfach nur anders (das wäre zu banal), doch sind die gewählten Mittel gänzlich andere.
Ein gutes Beispiel für einen solch tiefgreifenden Wandel findet sich in der agilen Umsetzung von Projekten. Diesem Vorgehen liegt eine grundsätzlich andere Herangehensweise zugrunde als die, die einem im Betriebswirtschaftsstudium vermittelt wird (oder wurde … ich vermute, dass man hier an der Uni langsam nachzieht).
Agilität als Antwort auf verstaubtes Prozessdenken
Wenn Sie schon ein paar Jahre arbeiten, kennen Sie vermutlich diese Projekte, in denen die Kosten das Budget übersteigen – in denen man schafft (also arbeitet), ohne Wert zu schaffen – an deren Ende man feststellen muss, dass es für die entwickelte Lösung kein Problem gibt … oder vielmehr: nicht mehr gibt, da man mal wieder viel zu lange gebraucht hat, um seinen Überlegungen Taten folgen zu lassen.
Falls Sie auch schon solche Erfahrungen gemacht haben, werden Sie sich vermutlich die Frage gestellt haben, was Sie hätten anders machen können – an welcher Kreuzung im Projekt Sie nach links und nicht nach rechts hätten abbiegen sollen. Die Ursprungsidee war doch eigentlich ganz gut. Woran also ist sie gescheitert?
Vermutlich (so geht aus diversen Untersuchungen hervor) an dem von Ihnen (oder Ihrem Chef) gewählten Ansatz zur Umsetzung. Die wenigsten Menschen, so meine ich nach 12 Jahren in der Innovationsbranche behaupten zu können, erbringen die richtigen Leistungen falsch, sondern die falschen Leistungen richtig. Das was sie machen, machen sie gut – nur ist das, was sie machen, nicht das, was der Markt braucht. Und so bekommen die Kunden zu wenig von dem, was sie wollen – aber davon reichlich.
Zu viele Innovationsprojekte laufen wie folgt: Am Anfang hat man eine Idee – einen Einfall. Man meint einen Ansatzpunkt gefunden zu haben, wie man etwas verbessern kann und überlegt sich, was für die Umsetzung erforderlich wäre. Anschließend analysiert man den Markt, stellt eine Ressourcenplanung auf … und dann geht es auch schon an die Implementierung. Am Ende – und damit nach mehreren Monaten, manchmal sogar Jahren – testet man die bis dahin entwickelten Prototypen, entscheidet sich auf Basis der Ergebnisse für eine der zur Auswahl stehenden Varianten und stellt diese dann im Rahmen einer aufwändig produzierten Werbekampagne seiner Zielgruppe vor. Das Projekt fließt, wenn man so möchte, von oben nach unten – von der Idee hin zur Umsetzung. In der sich mit diesem Thema auseinandersetzenden Literatur wird diese Art der Prozessgestaltung oft mit einem Wasserfall verglichen. Einmal angestoßen, nehmen die Dinge ihren Lauf. So lange noch Budget da ist, macht man weiter … und weiter … und … Man will das Projekt zu Ende bringen. Wie das Ergebnis am Markt ankommt, ist schon fast zweitrangig. Sollten die Nutzer nicht zufrieden sein, kann man ja immer noch reagieren. So viel zum klassischen Ideen- und Innovationsmanagement.
In der Software-Industrie läuft das anders. Hier verfolgt man einen agilen, iterativen Umsetzungsansatz. Das heißt, man analysiert zunächst die Anforderungen des Marktes und überlegt dann, wie man diesen gerecht werden kann. Ändern sich die Voraussetzung, ändert sich auch die Richtung im Denken. Nur das Vorgehen bleibt gleich.
Zu den bekanntesten Methoden im Bereich der agilen Projektumsetzung zählt „Scrum“, ein von Jeff Sutherland und Ken Schwaber definiertes Framework, das uns hilft, komplexe Probleme zu lösen und innovative Produkte zu entwickeln.
Scrum basiert auf kurzen Umsetzungsintervallen – auch Sprints genannt – in denen Hypothesen aufgestellt und validiert werden, in denen man Lösungsmaßnahmen erzeugt, testet und aus den Ergebnissen Maßnahmen zur Verbesserung ableitet. Am Ende eines jeden Sprints stellen die Entwickler ein funktionierendes Teilprodukt vor, das so ausgereift ist, dass es grundsätzlich in Produktion gehen könnte. Die Entscheidung hierüber obliegt allerdings allein dem sog. Product Owner, also der für das Produkt verantwortlichen Person. Um hier hinzukommen, werden alle aus dem klassischen Projektmanagement bekannten Phasen durchlaufen – nur eben schneller, und ausschließlich in Bezug auf das angestrebte Teilprodukt. Da jedes dieser Inkremente auf den Ergebnissen vorangegangener Sprints aufbaut, entsteht am Ende des Projektes ein funktionsfähiges, in diversen Rückkopplungsschleifen getestetes Produkt, bei dessen Integration / Vorstellung am Markt es zu keinen bösen Überraschungen kommen dürfte. Diese Art der agilen Umsetzung erlaubt einem, intervallbasiert z.B. auf sich verändernde Kundenanforderungen oder neu aufkommende technologische Trends zu reagieren. So können Falscheinschätzungen schnell korrigiert und Risiken entlang des Wertschöpfungsprozesses wirksam gemanagt werden.
Ideenmanagement in agil organisierten Projekten
In einem linear organisierten, wasserfallähnlichen Prozess ist die Generierung innovativer Ideen nicht mehr als ein Baustein – ein Schritt Richtung Ziel. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit und / oder dem Erreichen einer konkreten Anzahl an Lösungsalternativen endet dieser Prozess und man geht über zur Bewertung. Danach macht man sich dann an die Umsetzung, bevor die beste Lösung irgendwann am Markt vorgestellt wird. So weit so einfach – und doch nicht mehr genug, wenn man mit seiner dynamischen, innovationsorientierten Konkurrenz mithalten will.
In agilen Projekten ist die Ideation-Phase hingegen nie wirklich abgeschlossen … na ja … bis das jeweilige Produkt das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat und vom Markt genommen wird.
Die Frage, was man verbessern kann, wird fortlaufend neu beantwortet. Das heißt: Sobald man eine Lösung entwickelt hat, wird diese bereits hinterfragt. Giovanni Elber hat vor Kurzem in einem Interview gesagt, dass der Unterschied zwischen Bayern München und den meisten anderen Vereinen vor allem darin begründet sei, dass man bei Bayern eine Woche nach dem Gewinn eines Titels bereits darüber nachdenke, wie man diesen verteidigen könne – egal ob im Pokal, in der Meisterschaft oder in der Champions League. So ähnlich verhält sich das mit agilen Unternehmen (auch wenn einigen von denen der Vergleich mit dem Rekord-Champion aus München vielleicht nicht genehm sein mag 😉). Wie heißt es so schön? „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Ich denke, das fasst die Innovationseinstellung vieler erfolgreicher Unternehmen ganz gut zusammen.
Bei Evulu führen wir permanent klein angelegte Ideen-Projekte durch. Anstatt also ständig nach dem Next Big Thing zu suchen, verfolgen wir eher eine Politik der kleinen Schritte. Natürlich gibt es auch bei uns diese eine Meta-Frage: „Wie können wir es besser machen?“ Trotzdem würden wir diese so nicht durch unser Team bearbeiten lassen; das wäre zu abstrakt. Stattdessen formulieren wir (geleitet durch die Reaktionen unserer User, aber auch durch eigene Beobachtungen) immer wieder neue Makro-Fragen, die unser tägliches Handeln leiten.
Beispiel:
- “Wie können wir die Experience beim Check-out optimieren und unsere Kunden am Ende des Einkaufsprozesses noch einmal positiv überraschen?”
- “Wie werden die von uns entwickelten Lösungsvorschläge zu einem optimierten Check-out angenommen?”
- “Was gefällt unseren Kunden am neuen Check-out-Prozess? Was nicht?”
- “Was müssen wir reduzieren, eliminieren, stärken oder ganz neu kreieren, um diesen Prozessschritt weiter zu optimieren?”
- etc.
Jede dieser Fragen stellt für sich einen eigenen Innovationsauftrag dar. Wer also meint, dass das Management von Ideen nur in klassischen Bahnen funktionieren würde, irrt – und zwar gewaltig. Wenn man in einem hoch-dynamischen Markt funktionieren, wenn man relevant sein und das auch bleiben will, muss man schnell auf sich verändernde Anforderungen reagieren. Wasserfall-Projekte helfen einem hier nicht weiter. Investieren Sie also in den Auf- und Ausbau Ihrer Innovationskompetenzen. Lernen Sie, den Wandel zu gestalten. Denn genau das zeichnet einen agil-denkenden Ideenmanager aus.
Bis bald
Krist°f / Co-Founder Evulu